SAP kauft Signavio

Diese Schlagzeile, die sich gestern (27.01.2021) wie ein Lauffeuer verbreitete (siehe z.B. entsprechende Veröffentlichungen auf den Online-Plattformen vom Manager Magazin, Handelsblatt, CIO oder Business Insider) kann natürlich nicht unkommentiert bleiben. Nachdem ich mich in einem meiner letzten Blogs kritisch zu SAP’s Zukunft geäußert hatte, freut mich diese Ankündigung natürlich umso mehr! Noch zu meiner SAP-Zeit habe ich mich stets für eine enge Zusammenarbeit mit Signavio und sogar für deren Kauf stark gemacht. Umso erfreulicher, dass nun Vollzug gemeldet werden kann. Allerdings waren meine Beweggründe für einen Kauf damals anders motiviert, denn zu der damaligen Zeit war deren BPMN-Modellierungstool einfach herausragend im Vergleich zu anderen Angeboten. Cloudbasiert, sehr intuitiv und einfach zu bedienen und natürlich, ganz wichtig, die vollständige Abdeckung der BPMN-Elemente. Auch heute noch setze ich den Process Manager bevorzugt in der Lehre ein. Ich hoffe, die kostenlose Bereitstellung des Tools für Universitäten und Hochschulen bleibt auch unter der SAP erhalten 😉

Den Presseberichten folgend, steht bei diesem Kauf jedoch ein anderer Beweggrund im Mittelpunkt: Process Mining und Geschäftsprozessoptimierung! Denn auch Signavio konnte der Process-Mining-Versuchung nicht widerstehen und etablierte die Signavio Business Transformation Suite (siehe Signavio-Homepage zur Business Transformation Suite), die sich voll und ganz auf die Optimierung von Geschäftsprozessen durch „Live Insights“ (also der Echtzeit-Anzeige von Unternehmensabläufen) konzentriert. Das ist natürlich ein herber Schlag für Celonis, mit denen SAP bisher im Bereich Process Mining kooperierte. Nach meinem Artikel über Process Mining kennen Sie meine kritische Haltung zu diesem Thema. Dennoch lässt sich natürlich kurz- und mittelfristig darauf ein lukratives Geschäft aufbauen. Genau das, was SAP jetzt benötigt.

Ich jedenfalls freue mich für die SAP und das Team um Signavio-Chef Gero Decker. Jetzt fehlt der SAP eigentlich nur noch eine vernünftige Process Engine, um die mit Signavio modellierten BPMN-Modelle zur Ausführung zu bringen. Aber auch hier gibt es interessante Übernahmekandidaten. Ich hätte da ein paar Vorschläge… 😉

Prozesse erreichen die Bundeskanzlerin

Heute einmal ein eher kurzer Beitrag, in dem ich im Wesentlichen auf eine Nachricht der Tagesschau verweisen möchte. Endlich hat die Bedeutung der Prozesse auch die Bundeskanzlerin erreicht. Einige Zitate aus Ihrer Ansprache für das Online-Treffen des Weltwirtschaftsforums lassen aufhorchen. So wird in dem Artikel der Tagesschau konstatiert:

Kritisch äußerte sie sich etwa zur Geschwindigkeit von Prozessen: „Die Schnelligkeit unseres Handelns lässt sehr zu wünschen übrig.“

Oder:

Prozesse seien oft sehr bürokratisch geworden und dauerten lange. Da habe man nachzuarbeiten. „Wo wir nicht gut aussahen, das zeigt sich bis in die heutigen Tage, das ist der Mangel an Digitalisierung unserer Gesellschaft“, so Merkel weiter. Als Beispiele nannte sie die mangelnde Vernetzung der Gesundheitsämter, der Verwaltung und des Bildungssystems.

Die Analyse unserer Bundeskanzlerin stimmt natürlich, doch was setzt Sie dem konkret entgegen? Da bleibt Sie einmal mehr Antworten schuldig! Zweifel bleiben, zumal es ja noch nicht einmal innerhalb eines Bundeslandes funktioniert, wie ich in meinem Blog über das Digitalministerium in Bayern beleuchtet habe.

Übrigens hat sich Dr. Daniel Stelter in seinem letzten Podcast vom 24.01.2021 ebenfalls des Themas der miserabel digitalisierten Gesundheitsämter angenommen. In den ersten gut fünf Minuten seines Podcasts weist er auf die schlechte Umsetzung bei der Kontaktnachverfolgung und der Veröffentlichungspolitik der Infiziertenzahlen des RKIs hin. Leider sieht Dr. Stelter eine Linderung des Problems bei der Kontaktnachverfolgung auch nur in der Aufstockung des Personals. Die Kanzlerin wird in diesem Zusammenhang mit den Worten zitiert, dass in den anstehenden Semesterferien Studierende ja einen Nebenjob in den Gesundheitsämtern annehmen und bei der Kontaktnachverfolgung per Telefonanrufe unterstützen könnten (ab Minute 3:39 bis Minute 4:32). Sorry, aber das ist zum Fremdschämen!

Hier wird deutlich, wie Worte und Taten voneinander abweichen und die gute Frau von Digitalisierung leider nichts versteht. Nein, wir brauchen nicht mehr Personal, sondern weniger! Das erreichen wir aber nun mal nur über die konsequente Automatisierung von Prozessen! Wie das geht, wissen Sie, meine Leser, ja zum Glück 😉

Digitalministerium Bayern: Ein zahnloser Papiertiger

In einer lesenswerten Analyse vom 09.01.2021 überschrieben mit „Analyse: Die Rolle der Digitalministerin in der Corona-Krise“ geht Fr. Vera Cornette vom Bayerischen Rundfunk detailliert auf die Wirkungslosigkeit des Digitalministeriums in Bayern während der Corona-Pandemie ein. Was dort zu lesen ist, muss erschrecken. Zwei Zitate aus dem Artikel, die aufhorchen lassen und keines Kommentars bedürfen:

Zitat 1: „So sehr Gerlach (gemeint ist Judith Gerlach, Chefin des Digitalministeriums – Anm. des Autors) auf Kooperation mit den anderen Ministern angewiesen ist, so sehr stößt sie dabei auf Probleme. Schon kurz nach der Regierungsbildung machten ihr die anderen Minister klar, dass sie Gerlach nicht mit offenen Armen empfangen würden. ‚Das ist mein Ministerium‘, ‚Digitalisierung mache ich selbst‘, ‚es gilt das Ressort-Prinzip‘ – so der Tenor.“

Zitat 2: „Eine Behörde, die Gerlachs Politik umsetzt, hat das Digitalministerium nicht.“

Tatsächlich kann ich diese Analyse aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Ich möchte zu diesem Thema eine kleine Anekdote beisteuern, die das ganze Ausmaß dieser Misere verdeutlicht. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie bot ich Hrn. Söder nach seiner Regierungserklärung im April 2020 meine Hilfe zur beschleunigten Digitalisierung von Prozessen an, denn es war bereits zu diesem Zeitpunkt offensichtlich, dass auf diese große Herausforderung schnellstmöglich mit passenden Prozesslösungen reagiert werden musste. Es geschah natürlich nichts. Keine Reaktion. Schließlich kam, was kommen musste: Im August schlug die Corona-Panne in Bayern aufgrund mangelhafter Umsetzung der dazugehörigen Prozesse hohe Wellen. Wie ich in meinem Blog vom 13.08.2020 dazu geschrieben habe, wäre dies sehr wahrscheinlich leicht zu vermeiden gewesen!

Ich ließ mich von diesem Rückschlag allerdings nicht entmutigen und wandte mich an das Staatsministerium für Digitales. Zur Lösung der Herausforderungen, die durch die Pandemie entstanden sind, wollte ich meinen Beitrag leisten. Tatsächlich bekam ich auch einen Termin und in einem kleinen Vortrag präsentierte ich kurz die wesentlichen Ideen des „Prozessgesteuerten Ansatzes“. Er hätte mit Sicherheit zu einer signifikanten Beschleunigung der digitalen Transformation und somit zur Erreichung der angestrebten Ziele des Digitalministeriums beitragen können. Sie als Leser meiner Blogs können aufgrund meiner Formulierung wahrscheinlich schon erahnen, welche Antwort ich letztendlich bekam: Das sei ja alles sehr spannend, aber für die Implementierungs- und Umsetzungsfragen sei man nicht verantwortlich. Man habe auch keine Richtlinienkompetenz. Jedes Ministerium entscheide dies letztendlich für sich. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Wozu dann das Ganze? Muss man das verstehen?

Da frage ich Sie, meine Leserinnen und Leser: Wie soll daraus jemals etwas werden? Wie sollen damit jemals die groß angekündigten 575 Leistungen bis Ende 2022 automatisiert werden, wenn jeder unkoordiniert und ohne Vorgaben sein eigenes Süppchen kocht? Woher soll in der Breite das digitale Know-How herkommen, das für diesen zweifelhaften „Ansatz“ notwendig ist? Wie soll eine übergreifende Zusammenarbeit funktionieren, wenn jeder andere Ansätze wählt? Sieht man denn nicht, wie sich dadurch die Gesamtsituation nur verschlimmern kann? Für mich klingt das nach Chaos pur! Jetzt wäre die Zeit, um die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen und den Weg in die Zukunft aufzuzeigen. Doch das Digitalministerium versagt genau an diesem entscheidenden Punkt auf ganzer Linie! Mir zeigt es aber auch, dass man sich eigentlich nicht helfen lassen will. Denn natürlich gibt es Optionen, man muss sie nur wollen!

Zusammengefasst ist, und das zeigt die angesprochene Analyse von Fr. Cornette sehr deutlich, das Digitalministerium also nichts anderes als ein zahnloser Papiertiger, der nur sinnlos Steuergelder verpulvert. Ärgerlich!